(Version française ici)Das Schweizer Volk wird bald über die Einführung biometrischer Pässe
abstimmen, welche mit Hilfe eines elektronischen Chips biometrische Daten des Inhabers speichern können. Alle grossen Parteien haben die Ja-Parole beschlossen, mit Ausnahme der meisten Jungparteien; Juso, Jungfreisinnige, JSVP, die jungen Grünen und die junge EVP sind
dagegen – zu Recht.
Der wichtigste Grund für ein wuchtiges NEIN am 17. Mai ist die Einführung einer Datenbank (Informationssystem Ausweisschriften, „ISA“), welche alle biometrischen Angaben des Inhabers speichert und dem Bundesamt für Polizei anvertraut ist. So soll in Zukunft etwa der Fingerabdruck eines jeden Schweizer Bürgers bei den Polizeibehörden des Bundes hintergelegt sein. Dies würde eine völlige Neuerung in der Schweiz darstellen, da solche Informationen bislang solange nicht den Behörden des Landes bekannt bzw. zugänglich waren, als die betroffene Person sich keiner Straftat schuldig gemacht hatte Nun sollen also plötzlich alle ehrlichen Schweizer Bürger standardmässig biometrisch fichiert sein, und zwar auf informatisierte Weise, in Missachtung der Unschuldsvermutung und ohne jegliche Rekursmöglichkeit.
An dieser Stelle sei an den
Megaskandal schlechthin erinnert, der die Schweiz Anfangs 90er Jahre erschüttert hatte, als 900‘000 Bürger (von damals ca. 6,7 Millionen!) von der Bundespolizei fichiert worden waren. Für die damaligen übereifrigen Funktionäre waren belanglose Motive häufig genügender Grund für die
stasi-mässige Erfassung: Die Teilnahme an (verfassungsmässig erlaubten!) politischen Versammlungen linker Gruppen, eine Liebesbeziehungen zu einer vermeintlich subversiven Person oder „suspekte“ berufliche Aktivitäten genügten für die Eröffnung einer persönlichen Fiche (diese
französischsprachige Doku dazu verschlägt einem geradezu den Atem). Diese gigantische staatliche Bespitzelungsaktion wurde nur deshalb aufgedeckt, weil sich eine parlamentarische Untersuchungskommission PUK im Zuge der Kopp-Affäre für die polizeilichen Praktiken von Bund und Kantonen interessierte. Die „Fichenaffäre“ hat die Schweiz in der Folge in ihren Grundfesten erschüttert und das Vertrauen der Schweizer in ihren Staat nachhaltig beschädigt. Die Erinnerung währte aber offenbar nicht sehr lange, denn keine 20 Jahre nach diesen Ereignissen erwägt man nun also wiederum, dem Staat die entsprechenden Mittel zu sprechen, damit er sich ultramoderne Instrumente für die totale Überwachung des Bürgers gibt. Natürlich werden die Politiker und die Polizeidienste nicht müde zu
behaupten, dass die Verwendung der entsprechenden Datenbank zu Fahndungszwecken
noch nicht vorgesehen nicht möglich sei und dass ausländische Behörden keine Zugriff hätten. Eine solche Datenbank sei jedoch nötig um den Ersatz von Identitätspapieren zu erleichtern und um die Identität des Gesuchstellers zuverlässiger beurteilen zu können. Ausserdem würde so das „Erschleichen eines Ausweises unter Angabe einer falschen Identität wird auf diese Weise erheblich erschwert“.
Auch wenn solche Versprechen gewiss erfreulich sind, so kann die Gefahr von staatlichen Missbräuchen nicht ausgeschlossen werden. Ausserdem sind es vor allen Dingen aber genau die mit der Führung der besagten Datenbank betrauten Behörden, welche in einem Staat am meisten zu fürchten und zu kontrollieren sind. Die Fichenaffäre hat in der vermeintlich freiheitlichen und demokratischen Schweiz diesbezüglich den schlagenden Beweis geliefert. Den Polizeibehörden ist grundsätzlich vielmehr stets und überall zu misstrauen. Die Einführung eines allgemeinen informatisierten Systems zur Erfassung biometrischer Daten über alle Schweizer käme einer noch nie dagewesenen Ausdehnung des Polizeistaates in der Schweiz gleich. Warum sollten eines Tages nicht gleich die Blutgruppe, eine Spermaprobe oder gar die DNS gespeichert werden? Eine diesbezügliche Gesetzesänderung müsste nur subtil genug daher kommen, gepaart mit der nötigen „aussenpolitischen Notwendigkeit“. In Wahrheit geht es gegenwärtig um die Einführung eines
biometrischen Big Brother. Im Vergleich dazu erweist sich der schreibmaschinen- und blaupausengestützte Fichenstaat des kalten Krieges als ausserordentlich harmlos. Die behördlichen Versprechen zur Selbstbeschränkung und der Achtung der Grundrechte sind jedoch völlig wertlos angesichts der gegenwärtigen politischen Entwicklung welche immer weitergehende Eingriffe des interventionistischen Staates in die Privatsphäre im Namen eines wie auch immer gearteten „allgemeinen Interesses“ gutheisst. Ein Staat der die Mittel freiwillig nicht benutzt, über die er verfügt, ist wie eine bloss
vorübergehende Steuererhöhung: derartiges gibt es nicht. Schon der amerikanische Gründervater
Benjamin Franklin (1706 - 1790) wusste:
Those who would give up Essential Liberty to purchase a little Temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.
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